Veröffentlicht am: 3. November 2015Von: Kategorien: PR, Strategie

Schwedische PR-Berater sind zu beneiden: Sie müssen sich nicht alljährlich den Kopf darüber zerbrechen, ob das Sommerloch eher als ein Vor- oder Nachteil für die Wahrnehmung und Verbreitung aktueller Kundenbotschaften auszulegen ist. Im Gegenteil: Während wir diese Frage hierzulande stets aufs Neue im Detail erörtern, um am Ende eine kluge Abwägungsentscheidung zu treffen, sind die nordischen Kollegen längst offline.

In Schweden stehen während der sogenannten „sommarstängt“ nämlich die Uhren einfach still. In der Politik, in den Büros, in der Medienwelt. Zwar erscheinen die großen Zeitungen weiterhin täglich, in deutlich verschlanktem Umfang, viele Wochen- und Monatsmagazine stellen hingegen komplett den Dienst ein. Autoresponder an und rein in einen dieser zahllosen wunderschönen Seen, die bis auf wenige Tage im Jahr ja auch einfach zu kalt sind, um darin zu schwimmen. So etwas könnte man einfach gutheißen und nicht weiter darüber nachdenken, es sei denn man hat als deutscher Unternehmer zufällig den schwedischen Absatzmarkt ins Visier genommen und möchte Ende Juli ein Produktrelease insbesondere in Richtung dortiger Fachredaktionen bekannt geben. In diesem Fall wäre eine modifizierte internationale PR-Strategie ratsam. Im Idealfall geht aus dieser hervor, für die Nordics vorerst nicht auf den „Senden“-Knopf zu drücken. Und Schweden ist nur ein Beispiel von vielen, das hier für die Heterogenität der internationalen Medienmechanismen stehen soll.

Bedeutung internationaler Strategien wächst

Immer mehr Unternehmen liebäugeln aus gutem Grund mit der Internationalisierung ihrer strategischen Kommunikation. Die globale Verfügbarkeit von Produkten und Dienstleistungen in der Ära des Online-Handels ist nur eine von vielen Triebfedern für eine zunehmend internationale Ausrichtung der PR-Maßnahmen. Um bei der Erschließung neuer Märkte erfolgreich zu sein, sollte eine Expansion natürlich kommunikativ begleitet werden. Leider ist es in aller Regel nicht damit getan, bei der Verbreitung von Presseinformationen den Verteiler um internationale Kontakte zu erweitern und zuvor allenfalls noch eine Übersetzung ins Englische durchzuführen.

Die Ergebnisse des European Communication Monitor 2013 bestätigten die steigende Relevanz internationaler Kommunikationsaktivitäten zuletzt deutlich: Rund drei Viertel der 2.700 befragten PR-Profis waren der Meinung, dass insbesondere in Deutschland als Exportnation die Bedeutung der internationalen Unternehmenskommunikation wachsen wird. Dennoch verfügt der Studie zufolge nur eine Minderheit der Unternehmen bislang über entsprechende Strategien.

Apropos Strategien: Wenn wir uns im Rahmen internationaler PR-Projekte zu Fragen der operativen Umsetzung mit unseren Agentur-Partnern im Ausland besprechen, sind die Resultate oft erstaunlich. Egal ob in Frankreich, Schweden, Polen, in den USA oder im Vereinigten Königreich: Jeder unserer Partner hat eine ganz eigene Vorstellung davon, wie ein Thema aufzubereiten und zu verbreiten ist. Der Grund ist simpel: Der PR-Profi kennt die Bedürfnisse der lokalen Medienschaffenden sehr genau. Und wir stellen tagtäglich fest, dass länderspezifische Eigenheiten und kulturelle Unterschiede nicht unterschätzt werden dürfen und dass diese weit über die konsequente Durchsetzung kollektiver Sommerferien wie in Schweden hinausgehen.

Während skandinavische Medien beispielsweise keinerlei Berührungsängste mit englischem Content haben, gilt der Versand einer solchen Pressemitteilung an einen französischen Journalisten als reines Vabanque-Spiel. In den USA können die Medienvertreter hingegen in der Regel recht gut Englisch, hier hat allerdings das massive Zeitungssterben schon lange dazu geführt, dass amerikanische Journalisten viel stärker auf sozialen Plattformen wie Facebook oder Twitter aktiv sind als ihre europäischen Kollegen. Wir müssen also nicht nur über die richtigen Inhalte, sondern auch über die richtigen Kanäle nachdenken. Vorausgesetzt, die Aktivitäten sollen auch Resultate liefern. Ansonsten ist freilich alles erlaubt.

Bevor Unternehmen also beim ersten Gedanken an die Internationalisierung ihrer Kommunikation reflexartig von der kurz- bis mittelfristigen medialen Weltherrschaft träumen, sollte eine der ersten Fragen besser lauten: Welche Märkte und dementsprechend Medienlandschaften sind für mein Unternehmen überhaupt die wichtigsten? Dies geht bereits mit der Frage einher, wo sich eine Übersetzung von Inhalten in die Landesprache lohnen könnte. Sind darüber hinaus stilistische Modifikationen ratsam? Glücklicherweise verfügen professionelle Übersetzer heutzutage oft auch über das notwendige journalistische Know-how, um auf Ungereimtheiten aufmerksam zu machen oder einen Basisentwurf entsprechend der gewünschten Landesflagge gleich auch in Form und Farbe anzupassen.

Persönliche Themenvermarktung: Intranationale Verteilung der Medien beachten

Ebenso kann die Anordnung von Medienunternehmen innerhalb eines Landes für die erfolgreiche Vermittlung von Nachrichtenwerten eine wichtige Rolle spielen. Verlage, Rundfunkanstalten und Agenturen: In Frankreich treffen sich alle in Paris zum Rendezvous, in Großbritannien ist natürlich London der Place-to-be. Und in Deutschland? Berlin, Hamburg, München und Köln – die Liste medialer Ballungszentren ist lang. Hinzu kommt eine Vielzahl von Kleinverlagen und Fachredaktionen, die über die ganze Republik verstreut, aber bei vielen Themen nicht weniger wichtig sind. In Zeiten der Digitalisierung kein Problem, könnte man meinen. In vielen Ländern prägt die Zentralisierung der Medienlandschaft aber eben nach wie vor sehr stark die Art und Weise, wie Journalisten, Unternehmen und die oftmals zwischengeschalteten Agenturen miteinander umgehen.

Persönliche Treffen in vielen Ländern wichtig

Das persönliche Gespräch (und damit ist kein Telefonat gemeint, sondern tatsächlich ein physisches Treffen!) hat in vielen Ländern nach wie vor einen entscheidenden Stellenwert für die erfolgreiche Vermarktung eines Themas. In Deutschland schicken wir tonnenweise Testsamples durch die Lande, legen uns ergonomische Headsets für die tagtäglichen Redaktionskontakte zu und kämpfen tapfer um die wenigen Planstellen im Messekalender relevanter Zielmedien, in der Hoffnung auf ein ausnahmsweise persönliches Treffen. In Ländern mit zentralisierter Medienszene steigen die Agenturmitarbeiter stattdessen das ganze Jahr über regelmäßig ins Auto, die Metro oder die Subway und klappern die wichtigen Zielmedien im Rahmen sogenannter Press Tours persönlich ab. Oder sie laden Journalisten in den hauseigenen Showroom ein, um aktuelle Produktneuheiten zu demonstrieren. Bei Betrachtung dieser vielen Einflussfaktoren, bislang vorwiegend bezogen auf den innereuropäischen Medienraum, lässt sich leicht erahnen, womit wir es zu tun bekommen, wenn wir über eine Lokalisierung von Inhalten für Südamerika, Asien oder Afrika nachdenken.

Erster Schritt: Die Festlegung konkreter Ziele

Ein Unternehmen sollte sich deshalb bei der Entwicklung einer Strategie die eigenen Ziele frühzeitig bewusst machen: Welches Publikum möchte ich über welche Zielmedien mit welchen spezifischen Maßnahmen erreichen? Welche Hindernisse gibt es in den für mich wichtigsten Medienmärkten? Welche spezialisierten Partner werden gebraucht? Und welcher Aufwand ist gerechtfertigt, damit eine Information in einem individuellen Medienmarkt nicht nur die gewünschte Verbreitung findet, sondern die darauffolgenden Ergebnisse auch über ein effektives Monitoring nachgehalten werden können?

Die gute Nachricht: Die Lösungen für diese Problematik sind entsprechend des verfügbaren Budgets skalierbar und es steht eine Vielzahl effektiver Instrumente für die internationale Streuung der eigenen Themen zur Verfügung. Die richtige Lösung liegt für viele Unternehmen zwischen zwei Extremen: einerseits der vollständigen, aber kostenintensiveren Abdeckung aller wichtigen Medienmärkte durch lokale Experten (mittels eines multinationalen Dienstleisters oder Netzwerks) oder der eigenständigen, komplett zentral gesteuerten und einsprachigen Verbreitung der Inhalte per Knopfdruck.

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