Hand auf’s Herz: Wie konsumieren Sie Nachrichten im Internet? Tippen Sie althergebracht die URL der favorisierten Nachrichtenwebsite in die Adresszeile des Browsers? Oder bekommen Sie News-Schnipsel mundgerecht aufbereitet vom Algorithmus präsentiert, der bei Google, Facebook und Co. die Fäden zieht?
Denken Sie einmal nach. Wann haben Sie das erste Mal das Internet genutzt? Gibt es einen konkreten Moment, an den Sie sich erinnern können? Und wie war das damals? Alles langsamer, übersichtlicher und vor allem wesentlich einfacher. Und dann denken Sie mal an heute. Das Internet ist geradezu omnipräsent und es hat bei vielen einen nicht ganz unbeträchtlichen Einfluss auf das alltägliche Leben.
81 Prozent der Leser kommen über Suchmaschinen auf die Nachrichten-Websites.
Bitkom
Die Zahl der Internetnutzer in Deutschland ist laut ARD/ZDF-Onlinestudie von 6,5 Prozent im Jahr 1997 auf 89,8 Prozent im Jahr 2017 gestiegen. Dabei erstreckt sich die Nutzung über sämtliche Bevölkerungsschichten mit einem Schwerpunkt bei Nutzungsumfang und -intensität in der Kohorte zwischen 14 und 49 Jahren.
Neben diesen rein quantitativen Werten ändert sich auch die Nutzung an sich. „Durch die zunehmende Verbreitung mobiler Geräte, allen voran des Smartphones als persönlicher Tagesbegleiter, sowie die immer kostengünstigeren Datentarife ist die Unterwegsnutzung des Internets in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen“, schreiben die Autoren der Studie.
Facebook und Google bringen Traffic
Die deutschen User verwenden das Internet zudem als Informationsmedium. 76 Prozent von ihnen lesen oder schauen laut einer Bitkom-Umfrage Nachrichten im Web. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, über welche Kanäle die Online-Nachrichtenangebote rezipiert werden.
81 Prozent der Leser kommen über Suchmaschinen wie Google auf die Website des jeweiligen Nachrichtenangebotes, 64 Prozent gehen direkt auf die Website, 56 Prozent nutzen Nachrichten-Apps auf mobilen Endgeräten wie Tablets und Smartphones, 19 Prozent nutzen soziale Netzwerke und weitere 18 Prozent nutzen E-Mail-Newsletter, fand der Bitkom 2016 heraus.
Der „Reuters Institute Digital News Survey 2016“ kam zu ähnlichen Ergebnissen: Der häufigste Zugangsweg zu Online-Nachrichten erfolgt demnach über Suchmaschinen (47 Prozent), nur 27 Prozent gehen direkt auf die Nachrichtenseiten. Andererseits wird jeder fünfte erwachsene Internetnutzer über soziale Netzwerke auf journalistische Artikel und Berichte aufmerksam. Der am häufigsten genannte Nutzungsgrund für soziale Medien ist die einfache Art, auf verschiedene Quellen zugreifen zu können.
Vor allem Junge nutzen Intermediäre
Diese Zahlen verdeutlichen die Bedeutung der sogenannten Intermediäre: „Sie erzeugen durch Aggregation, Selektion und Präsentation Aufmerksamkeit für Inhalte von Dritten bzw. für eigene Inhalte“, schreibt Hardy Grundlach in seiner Arbeit „Brauchen wir eine öffentlich-rechtliche Suchmaschine?“.
Grundsätzlich unterscheidet die Forschung vier Arten der Mittler:
- Suchmaschinen (v. a. Google)
- Soziale Netzwerke (u. a. Facebook)
- Foto- und Videoplattformen (u. a. Youtube)
- Instant-Messenger (u. a. WhatsApp)
95,5 Prozent der Internetuser haben laut einer Studie von Kantar TNS im Auftrag der Medienanstalten aus dem Jahr 2017 am Vortag mindestens einen Intermediär genutzt (Suchmaschine: 81,8 Prozent, Messenger 75,8 Prozent, Soziale Netzwerke 53,0 Prozent, Videoplattformen 43,7 Prozent). Grundsätzlich gilt hier mit Ausnahme von Suchmaschinen: Mit dem zunehmend Alter der Befragten nimmt die Nutzung der Intermediäre sowohl qualitativ als auch quantitativ ab.
Online-Medien sind auf Intermediäre angewiesen
57 Prozent der Befragten nutzen die Intermediäre auch zur Information. Hier spielen soziale Netzwerke wie Facebook und Suchmaschinen wie Google die größte Rolle. Das US-amerikanische Marktforschungsunternehmen Parse.ly hat für den Mai 2018 einen Anteil von 46 Prozent für Google und 29 Prozent für Facebook bei dem Traffic auf Online-Nachrichteportalen in den USA gemessen.
„Rund die Hälfte der Nutzer scheint Facebook-Meldungen als Auswahlhilfe für die Lektüre der Nachrichtenwebsite zu nutzen. Facebook dient auf diese Weise weniger als eigenständiges – individuell-profiliertes Nachrichtenangebot – wie das für den Online-Kanal gelten kann – sondern eher als Appetizer für die Website“, schrieb Paul Henkel bereits 2014 in seinem Buch „Nicht ohne Facebook: Neue Chancen für regionale Tageszeitungen in sozialen Netzwerken“.
Das Marktforschungsinstitut LSPdigital errechnete wiederum 2015, dass Nachrichtenwebsites zu einem Teil in einem wesentlichen Umfang auf Intermediäre angewiesen sind. Von 193 Mio. Desktop-Visits kamen sechs Prozent über soziale Netzwerke und weitere elf Prozent über Suchmaschinen. Noch deutlicher waren die Zahlen bei Focus Online mit 14 Prozent Social Media und 37 Prozent Newsaggregatoren.
Wegbereiter für Fake News?
Erst mit der Wahl von US-Präsident Donald Trump schaffte es das Thema aus der Fachöffentlichkeit heraus – allerdings eher in Hinblick auf die Auswirkungen, die der durch die Intermediäre gelenkte Medienkonsum hat. Die Schlagwörter hier: Filterblase und Echokammer.
Im US-Wahlkampf wurden im großen Stil und ungebremst Fake News verbreitet – ein Umstand, dem eine nicht zu unterschätzende Wirkung auf den Ausgang des Urnengangs zu geschrieben wird. Gleiches gilt für das Brexit-Votum in Großbritannien. Sie sehen also: Was im digitalen Jenseits passiert, hat mitunter handfeste Auswirkungen im analogen Diesseits.
Immerhin: In der Politik gibt es erste, zarte Bestrebungen für eine Regulierung von Intermediären wie Facebook und Google. Wann und ob diese kommen, wie sie aussehen und ob sie letztlich Wirkung entfalten wird, bleibt abzuwarten.