Veröffentlicht am: 16. Januar 2017Von: Kategorien: Journalismus

Lokaljournalismus. Das letzte Refugium einer bedrohten Art. Der rasende Reporter, der Termine im Akkord abklappert. Kaninchenzüchterverein. In dieses Biotop wagt sich nun ein Raubtier: Focus Online. Genau, die durchoptimierte News-Website, deren Kernkompetenz die „reißerischen Zuspitzungen“ von Themen ist, die selbst Helmut Markwort stören.

In München hat man vor einiger Zeit augenscheinlich beisammen gesessen und sich gefragt, wie man die Reichweite des Portals noch weiter erhöhen und Werbekunden ein weiteres Segment zur Platzierung von Anzeigen eröffnen kann. Auf nationaler Ebene streitet sich Focus Online mit anderen Schwergewichten wie den Digital-Ablegern von Bild und Spiegel um Aufmerksamkeit, sorry, Klicks. Der Wettbewerb aber wird härter, die Zeiten des exorbitanten Wachstums sind vorbei.

Immer auf die Kleinen

Was tun? Wo sind noch nicht erschlossene Marktsegmente, in denen man wildern könnte? Nun geraten die Kleinen ins Visier des Großen: Die Regional- bzw. Lokalzeitungen haben in ihrem Verbreitungsgebiet häufig ein Online-Monopol, bestenfalls gibt es noch einen lokalen Konkurrenten, der das Ganze zu einem Duopol macht. Und die Zahl der Ein-Zeitungs-Kreise nimmt rasant zu. Die verbliebenen Akteure bieten ihren Lesern wirklich uniquen, also einzigartigen Content. Das umstrittene Straßenbauprojekt, die Einbruchsserie im Stadtteil oder das neue Klamottengeschäft um die Ecke aber ist außerhalb des Verbreitungsgebiets nicht relevant.

So haben es sich viele Verlage bequem eingerichtet in ihrem Verbreitungsgebiet und machen im Regelfall ein Online-Angebot, dass es Leuten, die ansatzweise Ahnung von der Materie haben, kalt den Rücken runterläuft. Doch Obacht! Nun gibt es zumindest ein ganz kleines bisschen Konkurrenz. Focus Online nämlich hat „Local“ gestartet: Hier sollen lokale Nachrichten aus allen Winkeln der Republik gespielt werden.

Jetzt ist es aber nicht so, dass in Deutschland flächendeckend neue Korrespondentenbüros eröffnet werden. Deswegen behilft sich das Portal mit Polizeimeldungen, die automatisiert auf der Seite landen. Auch dpa-Meldungen mit lokalem bzw. regionalem Fokus nehmen die Münchener mit. Gleiches gilt fürs Wetter.

Leserreporter: jeder ist eingeladen

Ein anderer Ansatz ist die Kooperationen mit regionalen Verlagen. Bei der DuMont-Boulevardpostille Express scheint man das mit der Konkurrenz entspannt zu sehen: Hier gibt es bereits eine Zusammenarbeit, bei der Express-Inhalte auch bei FOL gespielt werden, Original vs. Focus Online. Weitere Kooperationen befinden sich derzeit in der Anbahnung, erzählte Focus-Online-Chefredakteur Daniel Steil kürzlich dem Medienportal turi2.

Der eigentliche Clou aber sind die Artikel von Leserreportern. Quasi Jedermann ist eigeladen, journalistische Ergüsse mit bis zu 20.000 Zeichen Umfang plus Bildmaterial über ein Formular einzureichen. „Der Artikel landet direkt im Redaktionssystem, die Journalisten in unserer Lokalredaktion prüfen sie und veröffentlichen sie“, sagte Steil zu turi2, der sein Portal als führende Seite für lokale Nachrichten etablieren will. Hierfür habe Focus Online bereits eine 23-köpfige Redaktion aufgebaut.

Der Ruhm muss reichen

Die Arbeit der Zuarbeiter – intern „friends content“ genannt – erfolgt unentgeltlich. Der Ruhm ist schließlich Honorar genug und bringt dementsprechend interessante Stilblüten hervor, wenn man mal einen Gastbeitrag nach längerer Suche gefunden hat. Hier ein Beispiel aus Frankfurt an der Oder. Umtriebiger ist da schon Werner Moser aka mOsi aus Passau. Und auch ich bin jetzt Gastautor.

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