Der Journalismus hat mit einigen Problemen zu kämpfen: Populist:innen werfen ihm vor, unglaubwürdig zu sein, Abozahlen und Werbeeinahmen sinken, während Papier- und Stromkosten steigen. Dadurch fehlen Ressourcen, um Leistungen genauso gründlich auszuführen wie früher. Da Journalist:innen die bedeutendsten Multiplikator:innen für uns PR-Schaffende sind, sollte es uns interessieren, wie die Lage unserer Kolleg:innen ist.
Kürzlich veröffentlichte die Kommunikations-Plattform Cision die mittlerweile 14. Auflage ihres „State of the Media“ Reports, einer Befragung von mehr als 3.000 Journalist:innen. Darin werden sie dazu befragt, was für die Branche und für sie persönlich die größten Herausforderungen sind, wie sie aktuell arbeiten und wie ihre Beziehung zu PR-Redakteur:innen ist.
Die meisten befragten Journalist:innen, genauer gesagt 31,7 Prozent von ihnen, sehen es als wichtigste Aufgabe ihrer Branche, die Glaubwürdigkeit aufrecht zu erhalten. Für 22,4 Prozent sind die sinkenden Werbe- und Vertriebseinnahmen die größte Herausforderung, für 14,2 Prozent sind es die mangelnden (personellen) Ressourcen.
Ob sich der Eindruck der Journalist:innen mit dem Status Quo deckt und inwiefern das die Beziehung zur Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beeinflusst, klärt dieser Blogbeitrag.
Glaubwürdigkeit adé?
Besonders in den jüngsten Krisen wie dem Ukraine-Krieg oder der Corona-Pandemie, so könnte man meinen, skandierten Menschen lauter als zuvor „Lügenpresse“-Parolen. Damit zeigten sie öffentlich, dass sie eine Verschwörung hinter „den Medien“ witterten. Auch deshalb sehen viele Journalist:innen ihr höchstes Gut, die Glaubwürdigkeit, in Gefahr.
Das bestärken auch einige Studien sowie politische Erkenntnisse:
- Das Vertrauen in die Berichterstattung von ARD und ZDF ist so gering wie zuletzt vor sieben Jahren.
- Laut einer aktuellen Befragung des Instituts infratest dimap haben die deutschen Medien bei deutlich mehr Menschen an Vertrauen eingebüßt als dazugewonnen.
- Populistische und medienkritische Parteien wie die Freien Wähler oder die AfD fahren bei Wahlen immer bessere Ergebnisse ein.
Dem widersprechen die Ergebnisse der Langzeitstudie der Uni Mainz. Laut der ist das Medienvertrauen aktuell höher als noch vor der Pandemie. Die Autor:innen warnen zudem davor, Fragen nach dem Vertrauensverlust in die Medien undifferenziert zu stellen. Schließlich seien „die Medien“ ein großes Konstrukt, während sich die öffentliche Kritik beispielsweise auf einzelne Medienakteure, -inhalte oder -gattungen bezieht.
Vielleicht haben Sie im Bekanntenkreis Menschen, die den Medien gezielte Desinformationen vorwerfen. Leicht neigt man dazu, sich zu sehr auf diese einzelnen Menschen zu konzentrieren, anstatt auf die vielen Menschen, die anderer Meinung sind. Dementsprechend scheint es oft so, als verlören die Medien an Rückhalt. Die Langzeitstudie Medienvertrauen hingegen zeigt, dass dies allenfalls die halbe Wahrheit ist.
Weniger Einnahmen, hohe laufende Kosten
Im Gegensatz dazu zeichnet sich bei der am zweithäufigsten genannten Herausforderung des Journalismus ein eindeutigeres Bild. Denn tatsächlich sinken nicht nur die Werbeeinnahmen und Auflagen von Zeitungen – beide Entwicklungen bedingen sich gegenseitig: Weil die Auflage den Preis der Anzeigen bestimmt, gehen mit sinkender Auflage auch die Anzeigenerlöse runter. Niedrigere Werbeeinnahmen bedeuten für die Zeitungen im Umkehrschluss, dass sie ihre Preise erhöhen müssen, womit sie wiederum uninteressanter für Abonnent:innen werden.
In konkreten Zahlen bedeutet dies: Die Anzeigenerlöse sanken 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 5,8 Prozent; die Vertriebserlöse um 0,9 Prozent (vgl. BDZV).
Wie bei vielen anderen Branchen auch, sind auch die Energiekrise und die Corona-Pandemie nicht spurlos an den Redaktionen und Verlagen vorbeigegangen. Die Kosten für Strom und Gas haben sich zwischenzeitlich verfünffacht, die für Papier verdoppelt.
Die gleiche (Arbeits-)Last auf weniger
Schultern
Als Sparmaßnahmen legen viele Zeitungen Lokalredaktionen zusammen und bauen Stellen ab. Die Leidtragenden sind unter anderem die Journalist:innen selbst, besonders die Lokaljournalist:innen. Im State of the Media Report gaben mehr als 40 Prozent der Befragten an, ihre größte persönliche Herausforderung sei es, das Arbeitspensum der Redaktion aufrecht zu erhalten. Schließlich soll mit weniger Personal derselbe Output generiert werden – ein gefährliches Rezept, worunter die Qualität zumeist als erstes leidet.
Das bekommen die Leser:innen unmittelbar zu spüren: Ein Gutachten im Auftrag der Bundesministeriums für Kultur und Medien (BKM) bilanziert, dass im Zuge dessen nicht nur die reine Anzahl an journalistischen Angeboten abnimmt, sondern auch ihre inhaltliche Vielfalt. Noch dramatischer: Es gibt erste Regionen, in denen keine Lokalzeitung abonniert werden kann, beispielsweise den Landkreis Greiz in Thüringen (vgl. BDZV).
Seit Jahren wachsen die E-Paper-Auflagen aller Zeitungsgattungen ähnlich konstant, wie die Print-Auflage sinkt. Im vergangenen Jahr legten die Internet-Verkäufe um 13 Prozent zu.
vgl. BDZV
Wie kann es für die Zeitungen weitergehen?
Der Ausweg für die 300 Abonnent:innen im Landkreis Greiz und für die Zeitungsbranche allgemein ist der gleiche: die Flucht ins Digitale.
Die Zukunft der Zeitungen ist digital – und das nicht erst seit der Explosion der Papierpreise. Seit Jahren wachsen die E-Paper-Auflagen aller Zeitungsgattungen ähnlich konstant, wie die Print-Auflage sinkt. Im vergangenen Jahr legten die Internet-Verkäufe um 13 Prozent zu (vgl. BDZV).
Derweil versuchen die Zeitungen, ihren Online-Auftritt um vielfältige Angebote zu erweitern. Gerade die überregionalen Zeitungen launchen aktuell viele neue Formate, um junge Menschen zu erreichen und sie für ein Abonnement zu begeistern. Besonders hoch im Kurs steht Shortform-Content wie Reels und TikToks, Video-Reihen oder regelmäßig erscheinende Podcasts.
Podcasts bei jungen Menschen beliebt
Die Hälfte der 14- bis 29-Jährigen hört regelmäßig Podcasts; die meisten von ihnen zur Information. Damit sind sie für die Zielgruppe deutlich interessanter als beispielsweise die Print-Ausgaben der Zeitungen. Sie erreichen lediglich ein Viertel der 14- bis 29-Jährigen.
Wie viele Abonnent:innen die einzelnen Zeitungen durch Podcasts gewonnen haben, lässt sich schwer herausfinden, aber das Hörmedium bietet gleichzeitig neue Chancen für Anzeigenschaltungen, beispielsweise für kurze, zum Thema passende Werbespots. Laut einer ZMG-Studie hören 60 Prozent der Podcast-Konsument:innen die Werbeunterbrechungen komplett – eine sehr gute Quote, die Werbung auf diesem Kanal zusätzlich interessant macht.
Podcasts sind ein gutes Beispiel, das zeigt: Es lohnt sich, verschiedene Kanäle zu bedienen, um unterschiedliche Zielgruppen anzusprechen. Besonders, wenn sie nicht nur Aufmerksamkeit generieren, sondern wenn sich über sie auch Umsatz generieren lässt.
Was bedeutet das für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit?
Trotz der Potenziale, die die verschiedenen Online-Kanäle bieten, bleibt der Journalismus im Krisenmodus. Zu angespannt ist die wirtschaftliche Situation, zu massiv die Glaubwürdigkeitsprobleme, zu ungewiss die Zukunft.
Im Bereich PR sind Journalist:innen die Hauptansprechpersonen und Zeitungen oder Zeitschriften häufig die Zielmedien. Inwiefern beeinflusst die derzeitige Situation des Journalismus unsere Arbeit? In der kommunikationswissenschaftlichen Forschung gibt es unterschiedliche Ansätze, die bei der Beantwortung dieser Frage relevant sind.
Schwächerer Journalismus = stärkere PR?
Laut der Determinationsthese von Barbara Baerns ist die Beziehung zwischen PR und Journalismus immer ein „Nullsummenspiel“: Ein starker Journalismus beschränke den Einfluss der PR während PR durch einen schwachen Journalismus stärker wird. Einige Redakteur:innen bewerten die Effekte ähnlich. Sie fürchten, ein schwacher Journalismus führe dazu, dass
- qualifizierte Schreiber:innen eher in die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit abwandern,
- PR-Angebote wie Pressemitteilungen oder Fachartikel häufiger ungeprüft und unverändert übernommen werden,
- unlautere PR-Mittel wie gezielte Fehlinformation oder Intransparenz peu à peu salonfähig werden.
Diese Befürchtungen treffen – wenn überhaupt – nur teilweise zu. Dass PR-Texte eins zu eins übernommen werden und häufiger zu unlauteren Mitteln gegriffen wird, sind zumeist subjektive Eindrücke seitens der Leser:innen und Journalist:innen. Aktuelle Studien oder Berichte, die diese Eindrücke stützen, fehlen.
Einzig zur Berufssituation gibt es zumindest Anhaltspunkte: Der Deutsche Fachjournalisten Verband (DFJV) moniert, dass viele freie Journalist:innen nebenher auch in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit arbeiten. Dies trifft aber lediglich auf freie Journalist:innen zu, nicht auf festangestellte. Insgesamt stehen laut der Agentur für Arbeit 164.000 Schriftsteller:innen und Journalist:innen 48.000 PR-Schaffende gegenüber.
Gegenseitige Beeinflussung
Nachvollziehbarer als die Annahme, die PR würde vom Leid des Journalismus profitieren, erscheint die These, dass beide Systeme sich wechselseitig beeinflussen und sich gegenseitig ermöglichen. Das beschreibt die Intereffikationsthese (Wortneuschöpfung: „Intereffikation“: inter = zwischen, efficare = etwas ermöglichen), formuliert von Günter Bentele, emeritierter Professor für Öffentlichkeitsarbeit an der Universität Leipzig. Sie geht davon aus, dass die Kommunikationshandlungen der Seiten nur möglich sind, weil die andere Seite existiert. Dafür lassen sich auch einige Argumente finden.
- Durch einen auflagenschwachen Journalismus verliert auch PR an Reichweite.
- Wenn Journalist:innen lediglich unredigiert PMs übernehmen, werden sie als weniger glaubwürdig angesehen.
- Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ist auf diese Glaubwürdigkeit angewiesen.
- Wenn sich die journalistische Bandbreite verengt, gibt es für einige PR-Themen keine vertrauenswürdigen Multiplikator:innen mehr.
Ohne vitalen Journalismus keine PR
Auch wenn die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit freiberuflich Tätige womöglich mit besserer Bezahlung locken kann, so leidet die Branche trotzdem mehr unter einem wirtschaftlich angeschlagenen Journalismus, als dass sie davon profitiert.
PR, insbesondere die Pressearbeit, ist auf einen vitalen Journalismus angewiesen. Darum sollten PR-Akteur:innen den Journalismus unterstützen.
Das Mindeste, was sie leisten können, ist eine faire Zusammenarbeit mit Journalist:innen. Richtlinien für ein dementsprechendes Handeln hat beispielsweise der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR) veröffentlicht (die meisten davon sind selbstverständlich – zum Beispiel, dass PR-Redakteur:innen nicht dasselbe Thema auch in ihrer Journalistenrolle bearbeiten oder keine Pressegeschenke machen sollen).
Ansonsten war die Unterstützung von Journalist:innen schon immer integraler Teil der Pressearbeit: das Bearbeiten von Anfragen, die Organisation von Pressekonferenzen und das Schreiben von lesenswerten Pressemitteilungen. Allerdings entwickeln sich die Ansprüche der Journalist:innen mit denen ihres Publikums weiter. Sich dem anzupassen, lohnt sich für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit (auch gemäß der Intereffikationsthese), beispielsweise, indem sie crossmedialer arbeitet und Pressemitteilungen nicht nur Fotos beifügt, sondern auch Videomaterial und Audio-Snippets. Darüber hinaus könnten Pressekonferenzen online durchgeführt und aufgezeichnet werden, damit Journalist:innen weniger Aufwand betreiben müssen.
Kurzes Fazit
Der Journalismus hat, insbesondere im Print-Bereich, viele Probleme. Dafür gibt es einige vielversprechende Perspektiven wie Online-Abos, die kontinuierlich steigen, oder Podcasts.
Von einer schlechten wirtschaftlichen Lage der Zeitungen profitiert die PR nicht. Im Gegenteil, sie leidet darunter. Deshalb sollte es für PR-Schaffende oberste Aufgabe sein, sich gemeinsam mit dem Journalismus weiterzuentwickeln.