Das Twitter-Pendant Threads aus dem Hause meta ist seit gut einem Monat in der EU verfügbar, rund fünf Monate nach dem Launch in den USA. Ähnlich wie beim Start der App in den Staaten haben sich binnen kürzester Zeit Millionen Nutzer:innen angemeldet. Doch bleiben Sie dieses Mal auf der Plattform? Und lohnt sich die Plattform für Unternehmen?
„[…] Threads driftet aktuell in die Bedeutungslosigkeit.“ Das haben wir am 16. Oktober 2023 geschrieben. Knapp zwei Monate später, am 14. Dezember 2023, ist der Kurznachrichtendienst dann in Europa verfügbar und hat dafür gesorgt, dass dieses Statement – zumindest Stand 26.01.2024 – schlecht gealtert ist. Denn nach dem Launch überrannten die Instagram-Nutzerinnen und -Nutzer förmlich die Plattform. Zwar ist der ursprüngliche Hype mittlerweile abgeflacht, dennoch wird Threads weiterhin viel genutzt.
Was ist Threads? Ein schneller Überblick
- Typ: Soziales Netzwerk, Microblogging-Dienst
- Posts können folgendes enthalten:
- <500 Zeichen
- Bis zehn Fotos
- Videos
- GIFs
- Abstimmungen
- Sprachnachrichten
- gelauncht von meta
- Kontoerstellung: kostenlos, aber nur mit bestehendem Instagram-Konto möglich
- Man kann anwählen, ob man den gleichen Konten wie bei Instagram folgen möchte
- Keine Privatnachrichten-Funktion
- Enthält bisher keine Werbung
Ist Threads das neue Twitter?
Zumindest was die soziale Komponente der Plattform angeht, ja.
Gefühlt ist Threads die weniger poppige und spektakuläre Ecke von Instagram. Mehr Hot-Takes, mehr Alltagsbeobachtungen, weniger Selbstinszenierung. So zumindest unser subjektiver Eindruck. Auch X gilt, beziehungsweise galt, als Plattform, auf der Menschen ungeniert ihre Erfahrungen und Meinungen teilen können.
Die Meta-Alternative hat nach dem Launch in Europa eine Useranzahl, die in einer ähnlichen Liga wie X spielt. Anders bei den Twitter-„Alternativen“ wie BlueSky oder Mastodon: Sie hatten nie auch nur ansatzweise so viele monatliche Nutzer:innen wie X, um einen vergleichbaren Einfluss zu haben.
Die Rolle politischer Inhalte auf Threads
Threads kann eine politische Meinungsplattform sein, aber es verhält sich eher wie auf Instagram. Wer sich dort bereits viel für politische Inhalte interessiert, dem werden diese auf Threads in die Timeline gespült, genau wie auch auf anderen sozialen Netzwerken. Dementsprechend schwer ist es auch abzuschätzen, ob es dort mehr politische Inhalte gibt als auf den anderen Seiten.
Die Microblogging-App hat aber einen entscheidenden Vorteil gegenüber Facebook, Instagram und TikTok: Sie wird noch nicht kommerziell genutzt. Dadurch versammeln sich weniger Bots in den Kommentaren unter Postings, sodass die Kommentarfunktion – so unsere Wahrnehmung – tatsächlich genutzt und weniger gemieden wird.
Meta selbst möchte allerdings politische Themen nicht fördern. Im Gegensatz dazu ist X derzeit mehr denn je politisiert und eine wichtige Plattform für rechte Nutzer:innen.
Threads ist ein bisschen wie die Raucherecke von Instagram. Ein bisschen abseits der Party, wo es weniger glamourös zugeht. Hier werden Meinungen ausgetauscht, Threads ist aber (noch) keine dunkle Ecke für Verschwörungstheorien und Gewaltverherrlichung.
Threads für Unternehmen?
Wie sieht es mit der kommerziellen Nutzung der Plattform aus? Lohnt es sich als Unternehmen, Anstrengungen auf diesen Kanal zu verwenden?
Threads kann eine lockere, dialogorientierte Ergänzung darstellen.
Größere Unternehmen sind ohnehin schon auf der Plattform und nutzen sie als eher formlosen Kanal, um mit Kundinnen und Kunden ins Gespräch zu kommen oder pointiert Situationen zu kommentieren. Zweifelsohne eine gute Möglichkeit, um Customer Relations zu pflegen. (Was Sie beim Community-Management beachten sollten, lesen Sie in diesem Blogbeitrag.)
Genau das ist der Punkt: Threads ist eher zur Kundenbindung anstelle der -gewinnung geeignet, eine Ergänzung zu anderen Kanälen. Schließlich dürfen auch nur Instagram-Nutzer:innen einen Account eröffnen – es kann also niemand erreicht werden, der nicht vorher bereits potenziell erreicht werden konnte.
Klar, auch gehen Threads gelegentlich „viral“ und finden Nutzer:innen außerhalb der eigenen Followerschaft erreichen. Doch virale Posts allein – das haben die anderen sozialen Netzwerke gezeigt – reichen nicht aus, um aktive Follower:innen zu gewinnen. Bei Instagram, Tiktok und Co. gilt die Devise: Nur wer regelmäßig Content mit Mehrwert für die Zielgruppe postet, der kann langfristig Follower:innen aufbauen. Das funktioniert über Instagram und Tiktok noch ein Stück besser, denn sie sind weniger themenzentriert. Bei ihnen spielen Marken- und Personenprofile eine größere Rolle als bei Threads.
Kleines Zwischenfazit: Theoretisch könnte man sich auch über Threads als primäre Plattform eine aktive Followerschaft aufbauen. Schließlich lassen sich dort auch Multimedia-Inhalte hochladen. In der Regel nutzen Unternehmen die Seite aber als Ergänzung, weil sie auf anderen Plattformen mit ihren Inhalten eine größere Reichweite erzielen können.
Außerdem bietet ein so junges Netzwerk noch ein anderes Risiko:
Wandern die Threads-Nutzer:innen wieder ab?
Bereits der erste Launch des Netzwerks brachte einen gewissen Hype mit sich. Binnen fünf Tagen wurde Threads 100 Millionen mal gedownloadet, obwohl die App gar nicht in Europa verfügbar war. Doch das Interesse sank binnen weniger Wochen. Jetzt gibt es auch Indizien, die darauf hinweisen, dass dem Netzwerk auch beim zweiten Anlauf das gleiche Schicksal ereilen könnte:
- Geringe Interaktionsraten: Seiten mit zehntausenden Follower:innen haben oft nicht mal 100 Likes auf ihren Beiträgen. Für soziale Netzwerke ein miserabler Wert.
- Andrang abgeflacht: Nach dem ursprünglichen Hype verzeichnet das Netzwerk immer weniger neue Anmeldungen.
Über die Gründe lässt sich nur spekulieren. Möglicherweise ein Überdruss sozialer Netzwerke, zu viele Karteileichen, zu wenig Kontroverse? Oder ist das Konzept eines textbasierten Kurznachrichtendienstes ohnehin keines für die breite Öffentlichkeit? Schließlich wurde auch Twitter insbesondere in Promi- und Medienkreisen benutzt.
So sieht Threads‘ Zukunft aus
Stand jetzt scheint es wahrscheinlich, dass Threads sich eher in einen Nischenkanal als in ein etabliertes soziales Netzwerk auf dem Level von Instagram entwickelt. Ein Kanal für diejenigen, denen die Party auf den visuellen, aufmerksamkeitserregenden Netzwerken zu laut ist. Solange meta aufgrund mangelnder Rentabilität nicht irgendwann den Stecker zieht.