Im Berufsfeld Public Relations arbeiten zu einem großen Teil Menschen mit Studienabschluss. In der Branche üblich ist zudem ein zweijähriges Volontariat, in dem die Berufsanfänger:innen weiter ausgebildet werden und Praxiserfahrung sammeln. Auf die Arbeit in wirtschaftlichen Zwängen oder den manchmal frustrierend langen Prozessen werden sie in ihrer Berufsausbildung selten vorbereitet. Prof. Dr. Helena Stehle erklärt, wie Arbeitgeber den Berufseinstieg junger Menschen erleichtern können und warum es dabei wichtig ist, Haltung zu zeigen.
Zur Person
- Prof. Dr. Helena Stehle ist Juniorprofessorin am Institut für Kommunikationswissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.
- Zuvor arbeitete sie als Vertretungsprofessorin am Institut für Medienwissenschaft der Universität Tübingen und davor als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Hohenheim.
- Seit 2022 ist sie zudem Sprecherin der Fachgruppe PR-/Organisationskommunikation der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK).
Frau Dr. Stehle, was soll und kann ein Studium in Hinblick auf die spätere Arbeit in den Kommunikationsabteilungen der Unternehmen oder in Agenturen leisten?
Ein kommunikationswissenschaftliches Studium vermittelt zunächst Fachwissen rund um Medien und (strategische) Kommunikation und zeigt auf, womit sich die Forschung beschäftigt und zu welchen Erkenntnissen sie gelangt. Neben diesem Fachwissen sind aber auch weitere Schlüsselkompetenzen zentral: einerseits solche, die strategische Relevanz besitzen, z. B. zum Umgang mit Daten, zum interdisziplinären Denken und analytische Fähigkeiten, und andererseits jene, die auf kommunikative Fertigkeiten zielen, z. B. im Hinblick auf Teamarbeit und Führungskompetenz. Mit medienpraktischen Kursen adressieren viele Studiengänge, so auch unsere Bachelor- und Master-Studiengänge in Münster, darüber hinaus Aspekte, die vertiefenden Anschluss an die Berufspraxis geben, so z. B. Konzeptions- und Schreibtrainings oder auch Kurse zur TV- und Videoproduktion.
Was könnten die Unternehmen, die ja ein großes Interesse an einem gut ausgebildeten Nachwuchs haben, tun, um es diesem zu erleichtern?
Ein Aspekt ist sicherlich die fachliche Einarbeitung in eine spezifische Rolle und Funktion, die oftmals im Vordergrund steht, wenn es um die Rekrutierung und Einarbeitung von neuen Mitarbeitenden geht. Mindestens ebenso wichtig ist aber die Integration in die jeweilige Unternehmens-, Führungs- und Teamkultur, das Vertrautmachen mit häufig nur implizit kommunizierten „Regeln“ und das Zulassen und Ermöglichen von Freiräumen und Partizipation, auch bei Entscheidungen. Nicht zuletzt ist auch das Thema des Gehalts und der Work-Life-Balance eines, das Berufseinsteiger*innen beschäftigt und mit dem sich dementsprechend auch die Unternehmen auseinandersetzen müssen.
Sie selbst agieren immer wieder an der Schnittstelle, z. B. in einem Projekt zu Journalismus-Publikums-Beziehungen, zum Thema Energie- und Umweltkommunikation oder aktuell im spannenden Feld interne Kommunikation. Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für die Unternehmenskommunikation in den kommenden Jahren?
Neben allen Entwicklungen bei Medientechnologien und -plattformen ist eine zentrale Herausforderung aus meiner Sicht der Umgang mit den großen gesellschaftspolitischen Themen wie Nachhaltigkeit, Klima, Krieg oder Desinformation und die Frage des Umgangs mit und der Haltung zu diesen. Damit gehen nicht nur Fragen der Kommunikation mit externen Stakeholdern und der Öffentlichkeit einher, sondern auch zahlreiche Fragen, die das interne Feld betreffen. Für interne Stakeholder wie Führungskräfte und Mitarbeitende sind solche Themen ebenso präsent und können mit Unsicherheit und Ängsten einhergehen. Gerade nach den vielen Veränderungen, die die Covid-19-Pandemie in zahlreichen Unternehmen mit sich brachte, ist die interne Kommunikation dabei von zentraler Bedeutung und hat mit vielen Herausforderungen zu tun.
Was können die Unternehmen tun, um sich darauf vorzubereiten?
Für Kommunikationsverantwortliche bleibt zentral und wird möglicherweise noch wichtiger, die Verantwortlichkeiten und die Haltung eines Unternehmens herauszuarbeiten und sichtbar und anschlussfähig zu machen. Und das muss zunächst intern beginnen, bei und mit der Unternehmensleitung und bestmöglich mit allen Unternehmensmitgliedern. Ist bereits intern nicht klar, wofür das Unternehmen steht, welche Verantwortung es hat und übernehmen kann und will, wird es zunehmend schwer, als glaub- und vertrauenswürdig sowie als legitim angesehen zu werden – von internen wie von externen Stakeholdern.
Verbinden wir diese Herausforderungen wieder mit dem Studium. Was bringen die jungen Menschen mit, um Teil der Lösung sein zu können? Wo liegen aus Ihrer Sicht die Stärken der kommenden Generation in der Kommunikation?
An dieser Stelle wird oft darauf verwiesen, dass die nachfolgenden Generationen mit digitalen Medien aufgewachsen und dementsprechend vertraut mit ihnen sind. Für mich ist eine andere Stärke mindestens ebenso wichtig: ein „Out of the box“-Denken und die neuen Perspektiven, die damit naturgemäß in eine Organisation kommen, so z. B. zu den angesprochenen gesellschaftspolitischen Themen. Für eine Organisation kann es eine Herausforderung sein, diesen Perspektiven – und möglicherweise auch damit einhergehenden Einwänden und der Kritik am Bestehenden – Raum zu geben und sie zugleich mit der eigenen Zielsetzung und Kultur auszubalancieren. In der Forschung sind dabei für uns zunehmend sogenannte emergente Prozesse und Strukturen interessant, d. h. Aspekte, die nicht auf zielgerichteten Maßnahmen einer Organisation beruhen, sondern z. B. aus informeller interner Kommunikation oder Feedback über Hierarchiegrenzen hinweg entstehen und auf Organisations- und Kommunikationsziele treffen.
In vielen Unternehmen ist der oder die Jüngste dann gerne mal dran, wenn es um Social Media geht, nach dem Motto: „Die jungen Leute kennen sich damit ja aus. Das sollen die mal machen.“ Dann wird ohne Strategie oder Budget „gemacht“. Kennen Sie noch andere Fallstricke und Fettnäpfchen für junge Leute unseres Berufsfelds?
Meiner Erfahrung nach ist oft sehr organisationsspezifisch, was als Fallstrick oder Fettnäpfchen angesehen wird. Was in der einen Organisation als solches gilt, wird von einer anderen mitunter begrüßt. Was sich möglicherweise übergreifend als Fallstrick identifizieren lässt, ist mit Blick auf die Gehalts- und Honorarzahlen der Kommunikationsbranche, sich unter Wert zu verkaufen. Sich genau anzuschauen, in welcher Funktion welche Gehälter und Honorare beim Berufseinstieg und der weiteren Entwicklung bezahlt werden, wo Spielräume liegen, und zugleich realistisch zu bleiben und zu verhandeln, ist und bleibt ein immerwährendes Thema.
Vielen Dank für das Interview, Frau Stehle.