Alexander Tanner arbeitet beim Universitätsklinikum Münster im Bereich Online & Social Media. In seinem Gastbeitrag erklärt er uns die Bedeutung von Videos in der Kommunikation von Unternehmen.
Manchmal ist „Einfach mal machen“ ein guter Ratschlag. Beispiel: Video-Kommunikation! Video ist neben Text und Bild längst zu einem festen Bestandteil der Kommunikation von Unternehmen, Organisationen und vor allem Marken geworden – natürlich vor allem in den sozialen Medien.
Die Algorithmen von Twitter und Facebook bevorzugen Tweets und Postings mit Fotos und Videos, Instagram-Stories oder noch eindrücklicher TikTok funktionieren ohne Video-Inhalte nicht mehr. Das Gute daran: Selten war der Einstieg in die Video-Kommunikation für Unternehmen und Organisationen leichter.
Die Zielgruppen sind bereit: Sie lechzen nach Bewegbild und sind gnädig. Das Bild wackelt, der Ton rauscht, der Bildausschnitt ist schief. Egal, wen interessiert´s, das ist okay. Hauptsache Video mit Quasi-Live-Einblicken in den Alltag, authentisch eben, so der unausgesprochene Wunsch. Was hart und wenig differenziert klingt, offenbart eine spannende Erkenntnis: Nutzer erwarten keine TV-Qualität, es müssen keine Hochglanz-Formate sein. Die Zeit der 7-Minuten-Image-Filme ist ohnehin vorbei. Sie wirken „oldschool“, am Zeitgeist und vor allem am Nutzerinteresse vorbei.
Videos müssen passen
Nutzer wollen Einblicke. Und sie sind das Rauschen, Wackeln und das Schiefe gewohnt – von privaten Videos und eben aus den sozialen Medien. Und ein kurzer Exkurs zum Thema Video-Länge: Es hat Gründe, dass TikTok die Video-Sequenzen auf 15-Sekunden beschränkt und auch Story-Elemente bei Instagram diese Länge haben. Anders bei YouTube, das in Zeiten von YouTube-Tutorials zur Fahrradreparatur, zum Grillen oder zum Wäschefalten längst zum Video-Brockhaus für große und kleine Fragen geworden ist.
Kommunikatoren müssen sich bewusst entscheiden, Videos zum Teil ihres Portfolios zu machen – mit allen Konsequenzen. Videos müssen inhaltlich zum Unternehmen und zur Kommunikationsstrategie passen. Es sollte einen Plan geben, wie Videos langfristig in die Kommunikation eingebettet werden können. Und natürlich muss es die Ressourcen geben, Videos umzusetzen und zu platzieren. Noch viel wichtiger ist es aber, dass es im Unternehmen die Bereitschaft für Video-Kommunikation gibt. Denn ohne Protagonisten und O-Ton-Geber keine Videos.
Grenzen verschwimmen
Zwangsläufig stellt sich auch die Schnittstellen-Frage: Videos, in denen sich ein Unternehmensvertreter zu aktuellen Themen positioniert, sind klassische PR. Die Vorstellung von Berufsbildern und des Arbeitsumfeldes im Bewegtbild hat deutliche Schnittmengen mit dem Personalmarketing. Und die Vorstellung von Dienstleistungen oder Produkten im Video ist Marketing. Was eines deutlich macht: Beim Thema Video und insbesondere bei der Verbreitung über soziale Medien verschwimmen die Grenzen der Fachdisziplinen. Abstimmungsbedarf ist hier zwingend erforderlich.
„Jede Organisation ist Experte in mindestens einem Themengebiet. Und eigentlich fast immer ist es so, dass aktuelle Fragen zu einem solchen Themengebiet auch für einen bestimmten Nutzerkreis interessant sind.”
Alexander Tanner, Online & Social Media beim UKM
Ein Anfang ist schnell gemacht
Aus technischer Sicht gibt es dagegen praktisch keine Hürden mehr. Ein Smartphone samt externem Mikro und schon kann die Video-Reise losgehen – egal ob Experten-Statements oder kurze Video-Tour durchs Unternehmen. Der Anfang für kurze Web-Clips, die sehr gut funktionieren, ist schnell gemacht. Ganz klar darf es qualitativ auch besser sein und eben nicht rauschen, wackeln und schief sein. Denn wenn der Anspruch höher ist, sind auch aufwändiger produzierte Videos mit Schnittbildern kein Hexenwerk mehr. Mit System- oder DSLR-Kameras samt starker Videofunktion ist heute gute Technik verfügbar. Auch ohne Ausbildung in der Mediengestaltung ist das für motivierte und anpassungsfähige Kommunikatoren machbar – ohne große Vorerfahrungen. Das Credo: Es muss nicht sofort perfekt sein und darf sich entwickeln.
Am Anfang einer Video-Kommunikation steht die Frage: Was will man eigentlich? Viele Akteure – und das ist sehr auffällig – beschränken ihre Videoaktivitäten derzeit noch auf den Bereich Marketing/Werbung. Dabei sind die möglichen Einsatzgebiete sehr viel weiter zu fassen.
Ein Überblick über mögliche Formate:
Video-Statement
Bei kurzen Video-Statements (max. eine Minute, eine Bildeinstellung, nur O-Ton) geht es darum, einen Vertreter des Unternehmens zu einem aktuellen Thema des Unternehmens oder des gesellschaftlichen Diskurses zu platzieren. Jede Organisation ist Experte in mindestens einem Themengebiet. Und eigentlich fast immer ist es so, dass aktuelle Fragen zu einem solchen Themengebiet auch für einen bestimmten Nutzerkreis interessant sind. Dort, wo sich ein Fachthema mit einem gesellschaftlich aktuellen Themen überschneidet, liegt Video-Potenzial.
Beispiel für die Versicherungsbranche: die Haftung und der Versicherungsschutz bei Grillunfällen im Sommer. Neben der Verbreitung über soziale Medien dürfte auch ein aktives Zugehen auf klassische Medien eine Versuch wert sein. Experten sind vor allem bei Publikumsthemen immer gefragt.
Personalmarketing-Video
Bei kurzen Video-Einblicken in den Arbeitsalltag von Mitarbeitern geht es darum, im Zuge des Arbeitsgebermarketings Einblicke für potenzielle Bewerber zu bieten. Nichts ist für Bewerber und Interessenten so informativ wie eine Preview ins Unternehmen, einen Einblick in Berufsfelder und ein Eindruck von Kollegeninnen und Kollegen.
Beispiel Kurze Videos, in denen Mitarbeiter einen Überblick über ihre Person oder ihren Arbeitsplatz geben, sind einfach produziert und wirkungsstark. Neben Statements bieten sich aber auch hier „längere” Sequenzen (max. 1:30 Minuten) an, die zum Beispiel begleitend zum O-Ton über Schnittbilder auch konkrete Tätigkeiten, den Arbeitsplatz oder Kollegen zeigen.
Interne Videos
Völlig unbeachtet blieb bisher der Einsatz von Videos in der internen Kommunikation: Erfahrungsberichte aus Projekten, die Vorstellung neuer Software oder eben ein Video-Statement des Vorstands oder der Geschäftsführung Richtung Mitarbeiter. Auch intern muss das Thema Video groß werden.
- Beispiel Mails der Geschäftsleitung in die Belegschaft sind in vielen Organisation üblich. Warum diese Mails nicht mit einem Video begleiten? Vorsicht: Auch hier ist die Länge entscheidend. Monologe über fünf Minuten verwässern den positiven Eindruck einerfunktionierenden, nahbaren Video-Kommunikation.
Spannende Geschichten erzählen
Diese Beispiele zeigen: Die Video-Kommunikation hat großes Potenzial und bietet viele Möglichkeiten. Und das nicht nur für große, sondern auch für kleine und mittelständische Unternehmen, die allesamt spannende Geschichten zu erzählen haben, mindestens aber spannenden Menschen und Gesichter aufbieten – und zum Teil thematisch Nischen bedienen, die andere mit oder ohne Video nicht bieten können. Wo also anfangen? Für Kommunikatoren ist es wichtig, sich zunächst auf ein oder zwei Formate zu konzentrieren und mit einfachen Dingen anzufangen. Neue Ideen und Weiterentwicklungen kommen von ganz alleine. Stehen die Strategie, die Auswahl der Formate und die Umsetzung fest, offenbart sich am Ende der Kette noch die Verbreitungskanäle – und die trüben das Potenzial von Video-Kommunikation ein bisschen. Denn als einzig echte Kanäle bleiben unterm Strich eine starke Website und Social-Media-Kanäle mit einer guten Reichweite. Denn das klassische Medien Videos von Unternehmen und Organisationen in ihre Berichterstattung einbinden, ist (bisher) mehr Wunsch als Wirklichkeit. Aber auch das kann sich entwickeln. Intern bleiben als Verbreitungswege die Mail oder das Intranet, je nach Entwicklungsstand der internen Kommunikation ist natürlich auch die Einbindung in eine Mitarbeiter-App denkbar. Zweites Haar in der Suppe ist das Thema Datenschutz: Natürlich müssen gezeigte Personen und Protagonisten in die Veröffentlichung des Videos einwilligen – schriftlich und standardisiert.
Fazit
Was bleibt? Natürlich ist die Video-Kommunikation nicht das Allheilmittel, mit dem man in Zeiten sinkender Reichweiten über klassische Medien eins zu eins seine Themen setzen kann. Aber sie bietet eine gute Chance, in einem sehr interessanten und stark wachsenden Umfeld „einfach mal zu machen“. Es lohnt sich…