Ist PR auch in der Logistik wichtig? Dieser Frage ist Sputnik-Mitarbeiter Jens Könning im Gespräch mit Prof. Dr. Franz Vallée auf den Grund gegangen. Für alle, denen die Zeit zum Lesen fehlt: Die Antwort lautet natürlich ja!
Herr Prof. Vallée, Sie sind Inhaber des Lehrstuhls für Logistik und IT an der FH Münster, Vorstand des Instituts für Prozessmanagement und Digitale Transformation (IPD) und zudem verantwortlich für den Masterstudiengang Logistik. Damit nicht genug sind Sie außerdem wissenschaftlicher Leiter und Gesellschafter des Beratungsunternehmens VuP GmbH, Vallée & Partner und Sprecher der Regionalgruppe Münster/Osnabrück der Bundesvereinigung Logistik e.V.. Ohne sich dem Vorwurf der Übertreibung auszusetzen darf man also sagen, dass Sie sich in der Welt der Logistik ein gewisses Renommee erarbeitet haben. Was treibt die Branche denn derzeit um?
Vallée: Im Moment sind mehrere Megatrends zu beobachten, die allesamt sehr starken Einfluss auf die Logistik haben. Da ist zum einen das Thema Individualisierung. Von vielen Produkten gibt es immer mehr Varianten, womit auch die logistischen Prozesse kleinteiliger und komplexer werden. Das zweite Thema ist die Globalisierung, im Rahmen derer die Märkte immer weiter abgesteckt werden. Dritter großer Trend, der uns alle umtreibt, ist das Thema Nachhaltigkeit und Ökologie mitsamt den damit verbundenen sozialen Aspekten. Zwingend genannt werden muss darüber hinaus das Thema Digitalisierung. Alle genannten Punkte haben schon heute maßgeblichen Einfluss auf die Branche. Und ich glaube, dass sie die Logistik in den kommenden fünf Jahren massiv verändern werden.
Gegenüber Industrie und Handel gilt die Logistik oft als ein bisschen rückständig. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Digitalisierung, die in der Logistik erst sehr viel später Einzug gehalten hat. Worauf ist das zurückzuführen?
Vallée: Ich denke, man muss hier differenzieren. Es gibt durchaus progressive Firmen, die auch in puncto Digitalisierung – oft bedingt durch einen Generationenwechsel – heute sehr weit vorne sind. Dass die Beharrungskräfte in der Logistik tendenziell höher sind als in anderen Branchen, ist meines Erachtens besonders dem Umstand geschuldet, dass Intransparenz lange Jahre fester Bestandteil der Geschäftsmodelle vieler Transportdienstleister war. Das heißt, es war normal, dass für vergleichbare Aufträge unterschiedliche Preise aufgerufen wurden. Die Digitalisierung hingegen fußt auf Vergleichbarkeit und Transparenz und damit auf Prinzipien, die mit der bisherigen Geschäftspolitik schlicht unvereinbar sind.
Die Markenpflege ist dem Gros der deutschen Unternehmen viel Geld wert. In der Logistik hingegen sind die Betriebe, die ein festes Budget für PR und Marketing eingerichtet haben, nach wie vor in der Minderheit. Woran liegt’s?
Vallée: Im Wesentlichen sicher daran, dass die Margen in der Logistik eher gering sind, was sich wiederum nachteilig auf die Bereitschaft auswirkt, Geld für eine Leistung auszugeben, deren Effekt sich nicht unmittelbar messen lässt. Darüber hinaus waren in der Vergangenheit persönliche Beziehungen und langjährige Kontakte die Basis vieler Geschäfte in der Branche. Die Unternehmen konnten leicht auf Marketing und PR verzichten und trotzdem Erfolg haben. Bedingt durch die zunehmende Transparenz und neue Player am Markt wird sich das allerdings zunehmend ändern. Viele Betriebe werden gerade in diesem Punkt in Zukunft mehr tun müssen.
Mit Ihrem Beratungsunternehmen Vallée und Partner (VuP) in Münster beraten Sie viele Spediteure und Transportunternehmen, aber auch Industrie, Handel und Dienstlesitungen. Werfen Sie dabei auch einen Blick auf die PR-Aktivitäten Ihrer Mandanten?
Vallée: Wir sind in verschiedensten Projektfeldern aktiv, sei es in der Prozessoptimierung, der Lagererweiterung oder in IT-Fragen. In diesen Fällen liegt der Fokus natürlich auf den Prozessen selbst, beziehungsweise den eingesetzten IT-Systemen. Auf der anderen Seite beraten wir auch in allen Fragen der Digitalisierung sowie bei der Weiterentwicklung der Vertriebswege in Richtung Omnichannel. Hier müssen wir natürlich einen größeren Ansatz wählen. In diesem Zusammenhang betrachten wir auch das Kommunikationskonzept und benennen Defizite, die wir in diesem Bereich ausmachen, klar und deutlich.
Was raten Sie Unternehmen denn, die in diesem Bereich keine oder nur unzureichende Aktivitäten zeigen?
Vallée: Um für die Zukunft gerüstet zu sein, muss ein Unternehmen heute auch in puncto PR gut aufgestellt sein. Stellen wir fest, dass das nicht der Fall ist, raten wir beispielsweise dazu, Kontakt zu einem etablierten Dienstleister aufzunehmen. Wer sich das nicht leisten kann oder will, sollte zumindest über andere Wege nachdenken. Denkbar ist beispielsweise, einen Freelancer oder eine studentische Hilfskraft mit der PR-Arbeit zu betrauen. Voraussetzung dafür ist allerdings eine belastbare Strategie, die begründet festlegt, welche Kanäle bespielen werden sollen. Fest steht: Nichts tun ist keine Alternative.
„Die Bedeutung von PR ist aus meiner Sicht deutlich gestiegen.”
Prof. Dr. Franz Vallée
Wie hat sich die Bedeutung von PR in der Logistik in den vergangenen Jahren verändert?
Vallée: Die Bedeutung von PR ist aus meiner Sicht deutlich gestiegen. Da sich die Geschäftsmodelle teilweise drehen, müssen sich die Marktteilnehmer mehr denn je von ihren Wettbewerbern abgrenzen. Und das muss kommuniziert werden. Letztlich möchte heute jeder Kunde die Frage beantwortet haben, warum er eine Leistung gerade von diesem Anbieter in Anspruch nehmen soll. Wer diese Antwort nicht geben kann, wird schnell Probleme bekommen.
Was sollte eine gute PR-Arbeit Ihrer Meinung nach leisten?
Vallée: Sie sollte vor allem anderen sehr klar herausstellen, was die Marke ausmacht und was ein Unternehmen in der Lage ist, besonderes zu leisten. Im besten Fall erfolgt das Ganze unter Beachtung beziehungsweise eingebunden in eine bestehende Unternehmensstrategie.
Welche Besonderheiten gilt es dabei in der Logistik zu beachten?
Vallée: Logistik ist im Grunde die Disziplin mit der größten Querschnittsfunktion. Verschiedenste Personen aus unterschiedlichen Abteilungen und Unternehmen arbeiten hier zusammen. Das heißt, an dieser Stelle muss das Kunststück vollbracht werden, unterschiedliche Ziele und Charaktere, Verfahren und Herangehensweisen miteinander in Einklang zu bringen. Die Herausforderungen, die es in diesem Zusammenhang zu meistern gilt, sind die Abstimmung und Kommunikation miteinander sowie die Organisation möglichst schnittstellenfreier Prozesse. Erschwerend hinzu kommt dabei, dass in der Logistik regelmäßig Planungsfehler zum Tragen kommen, die an anderer Stelle gemacht wurden.
Neben der klassischen PR-Arbeit, also dem Verfassen und Versenden von Pressemitteilungen und Anwenderberichten, spielen die sozialen Medien eine zunehmend größere Rolle. Kommunizieren Sie selbst auch über Twitter, Instagram, Facebook & Co. und wo sehen Sie die Vorteile dieser Kanäle?
Vallée: Wir sind selbst seit ungefähr einem Jahr ernsthaft in den sozialen Medien aktiv. Einfach aus dem Grund, dass die junge Generation diese Medien vorrangig nutzt und auch erwartet. Wenn ich also diese Menschen erreichen will – sei es, weil ich Fach- und Führungskräfte gewinnen oder eine Leistung anbieten will – muss ich einfach diese Medien bespielen. Das ist zwar zeit- und arbeitsaufwändig, aber unumgänglich. Dementsprechend haben wir bei VuP inzwischen eigens hierfür personelle Kapazitäten geschaffen.
Was antworten Sie einem Spediteur, der Ihnen sagt: „Mit dem Gedöns will ich nichts zu tun haben!“?
Vallée: Unsere Art zu kommunizieren hat sich mit den sozialen Medien verändert. Das muss man nicht mögen, aber man kann es nicht ignorieren. Wer das tut, handelt fahrlässig und gefährdet unnötig den Erfolg seines Unternehmens. Es ist ja nicht nötig, gleich das ganz große Rad zu drehen, sondern abhängig von seinen Ressourcen zu überlegen, wie ein kleinteiliger, niedrigschwelliger Einstieg gelingen kann, um vielleicht das ein oder andere auszuprobieren und mitreden zu können. Wer das nicht macht, begeht meines Erachtens einen klaren Fehler.