Wer bestimmt eigentlich, welcher Beitrag an erster Stelle in der Tagesschau läuft? Welche Geschichte als Aufmacher in die Tageszeitung kommt? Woher wiederum stammen die Informationen und wer hat sie in wessen Auftrag recherchiert? Die Funktionsweise der Medien liegt mehr oder minder klaren Regeln zugrunde – die vielen Menschen aber nicht bekannt sind.
„Wie viel muss ein Unternehmen dafür bezahlen, dass der Bericht über das Unternehmen nicht auf Seite 7, sondern auf Seite 5 in der Zeitung erscheint?“ fragt einer der Schüler die beiden Journalisten, die zunächst glauben, sich verhört zu haben. Aber nein, es ist eine der ersten Fragen, die Christian Deker und Carolin Fromm gestellt bekommen. Die beiden berichten in einem Beitrag für Übermedien von den Erfahrungen, die sie mit ihrer Arbeit als Journalismus-Erklärer an Schulen in Hamburg gemacht haben.
„Vor allem Menschen, die über wenig Medienwissen verfügen, stehen den etablierten Medien besonders kritisch gegenüber.”
aus der Langzeitstudie Medienvertrauen
Das Duo ist ehrenamtlich unterwegs, um Schülern und Lehrern in Zeiten von „Fake News“, „Lügenpresse“-Vorwürfen und der Relotius-Affäre die Funktionsweise der Medien zu erklären. Deren Rolle ist eine der wesentlichen Säulen unserer Demokratie, nicht umsonst ist von der „vierten Macht“ die Rede. Welchen Einfluss sie haben kann, hat sich bei der Ibiza-Affäre gezeigt, in deren Zuge die österreichische Regierung stürzte.
Um sich hierzu eine profunde Meinung bilden zu können, ist es essentiell, dass ein grundlegendes Wissen darüber vorhanden ist, wie das mit den Medien eigentlich so funktioniert. Deker und Fromm hingegen berichten von einer mitunter erschreckender Unwissenheit unter Schülern und Lehrern. Diese Einschätzung deckt sich mit dem Erkenntnissen der „Langzeitstudie Medienvertrauen“ der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, deren Daten zuletzt Ende 2017 erhoben wurden. So glauben 38 Prozent der Deutschen irrtümlich, dass Journalisten berichten dürften, was sie wollen, weil es keine gesetzlichen Schranken gäbe. „Vor allem Menschen, die über wenig Medienwissen verfügen, stehen den etablierten Medien besonders kritisch gegenüber“, schreiben die Autoren der Studie.
Koppelgeschäfte und Hindernisse
Aber wie läuft das eigentlich? Grundsätzlich gilt: Es gibt gesetzliche und ethische Vorgaben (beispielsweise den Pressekodex), an die sich Journalisten halten müssen bzw. sollen.
Journalisten müssen wahrheitsgemäß berichten und dies im Zweifelsfall auch vor Gericht belegen können. Sonst kann Berichterstattung untersagt werden. Der Teufel steckt hier übrigens im Detail: Achten Sie darauf, was eine Tatsachenbehauptung ist und was nicht. Der juristische Unterschied zwischen „Person X soll das getan haben“ und „Person X hat das getan“ ist mitunter gravierend.
Berichterstattung ist nicht käuflich. Das stimmt – zumindest im Optimalfall. Hier gilt der Grundsatz, dass gekaufte Berichterstattung als solche gekennzeichnet wird – das nennt sich dann Anzeige oder bei einer Mischform „Advertorial“. Hier zeigt die Erfahrung, dass je größer der wirtschaftliche Druck in dem jeweiligen Medium ist oder je größer der Einfluss eines Werbekunden ist, diese Grenze mitunter aufgeweicht wird. In einem lokalen Wirtschaftsmedium befand sich neben einer Titelgeschichte über die Eröffnung eines neuen Standortes eines Unternehmens in direkter Nachbarschaft eine Anzeige. Da wird es ganz offensichtlich. Die Redakteurin eines Fachmediums erklärte ganz unumwunden, dass sie über einen Kunden nicht berichten würde – weil keine Anzeigen geschaltet werden. Auch das ist ein Teil der Wahrheit, da muss man ganz offen sein.
Zentrale Nachrichtenfaktoren
Die Beiträge von Journalisten werden optimalerweise innerhalb der Redaktion geprüft, wobei es hier um einen Check von Fakten etc. geht. Und, nein, die Beiträge werden nicht Behörden vorgelegt. Interviewpartner haben hingegen die Möglichkeit, ihre Zitate – und nur die! – zu autorisieren. Was mitunter zu irritierenden Auswüchsen führt, wie beispielsweise das Interview des Fachmagazins „Journalist“ mit Gabor Steingart offenbarte. Eine Zensur hingegen findet nicht statt. Auch die Konsequenzen ihrer Berichterstattung müssen Journalisten nicht bedenken, solange sie sich innerhalb des gesetzlichen und ethischen Rahmens bewegen.
Was kommt in die Medien? Was letztlich in die Medien kommt, ist Gegenstand umfangreicher Forschung. Walther Lippman ist der Urvater der Nachrichtenwertforschung. Er hatte 1922 zehn Nachrichtenfaktoren festgelegt, die im Wesentlichen auch heute noch gültig sind. Dabei geht es im Kern darum, was die Menschen am Ende interessiert:
- Überraschung
- Sensationalismus
- Etablierung
- Dauer
- Struktur
- Relevanz
- Schaden
- Nutzen
- Prominenz
- Nähe
Unterschiedliche Gewichtung
Diese Nachrichtenfaktoren wiederum können unterschiedlich stark ausgeprägt sein. In der Gesamtschau ergeben sie dann den Nachrichtenwert, bei dem es sich letztlich um keine exakte Größe handelt.
Zugleich ist zu berücksichtigen, um welches Medium es sich handelt. Der Umstand, dass ein Unternehmen seine Belegschaft aufstocken möchte, ist vielleicht nur für die lokale Tageszeitung interessant. Oder aber auch für ein Fachmedium aus der Branche, in der das Unternehmen aktiv ist. Wenn Stellen abgebaut werden sollen und dies überraschend geschieht, ist der Nachrichtenwert höher. Hat ein Medium diese Information vorab und exklusiv, ist es dann vielleicht bereit, diese Geschichte größer zu spielen. Hat der zuständige Redakteur einen – wie auch immer gearteten – persönlichen Bezug zum Unternehmen, ist die Relevanz aus seiner Sicht unter Umständen ebenfalls höher. Ist das Unternehmen hingegen ein wichtiger Anzeigenkunde, fällt die Berichterstattung vielleicht weniger kritisch und weniger umfangreich aus. Auch das ist ein Teil der Wahrheit über die Abläufe in den Redaktionen.