Die Social Journalism Studie hat es vergangenes Jahr einmal mehr bestätigt, Journalisten vertrauen gerne und viel auf Experten. Rund die Hälfte von ihnen setzt bei der Recherche bevorzugt auf die Expertise von Dritten. Die Gründe lassen sich zumindest vordergründig schnell skizzieren.
Experten besitzen in der Regel ein Spezial-Wissen zu einem Thema, das das Wissen von Laien auf diesem Gebiet weit übersteigt. Immer dann, wenn das Allgemeinwissen also nicht mehr ausreicht, schlägt die Stunde der Experten. Sie kommentieren, ordnen kontextuell ein, erklären und geben Prognosen ab. Und das Beste aus der Sicht des Journalisten – Experten sind unabhängige Wissenslieferanten. So wahrt der Journalist weiterhin seine Neutralität und fungiert allenfalls als Moderator zwischen Experte und Leser, Hörer und Zuschauer.
Selbstverständlich kann es unter diesen Aspekten auch für Unternehmen lohnenswert sein, Experten aus dem eigenen Haus zu relevanten Themen rund um das eigene Leistungsportfolio in den Medien zu positionieren. Dabei sollte es allerdings weniger um die eigenen Produkte und Lösungen gehen, als vielmehr um übergreifendes Fachwissen, beispielsweise aus einem speziellen Branchenumfeld. Dennoch hilft diese Maßnahme indirekt und doch effektiv bei der Steigerung der Awareness, denn: Äußert Experte X vom Unternehmen Y seine Meinung zu Z, dann erhöht das schließlich auch die Bekanntheit von Y. Ordnet beispielsweise der Geschäftsführer eines Handelsunternehmens die aktuellen Entwicklungen im Markt ein, erhält der Konzern dadurch Aufmerksamkeit.
Journalisten sind skeptisch gegenüber selbsternannten Experten
Doch zunächst ein Blick auf den Begriff Expertenpositionierung. Er setzt sich aus den persönlichen Merkmalen (Experte) und den thematischen Merkmalen (Position) zusammen. Die Herausforderung besteht darin, den Spezialisten als Person samt seines Themas in den Medien zu platzieren. Dafür muss man grundsätzlich über die aktuellen Entwicklungen der jeweiligen Branche informiert sein. Gibt es Trends oder Kontroversen, zu denen sich der Experte äußern kann? Genauso ist auch die umgekehrte Variante erfolgsversprechend: Man nutzt den weißen Fleck auf der Themen-Landkarte, um selbst die Initiative zu ergreifen und Medien Vorschläge zu unterbreiten. Doch so oder so: Der Experte und sein Thema müssen vermarktet werden.
Wie bereits festgestellt, reicht es nicht aus, die Spezifikationen zu erfüllen. Journalisten sind nachvollziehbarerweise gegenüber Experten, die von Agenturen empfohlen werden oder sich selbst anpreisen, zunächst einmal skeptisch. Vielmehr gilt es, eine Visitenkarte in Form einer Kostprobe der eigenen fundierten Expertise zu hinterlassen. Dafür geeignete Instrumente sind beispielsweise Themenexposés oder Standpunktpapiere, in denen entweder die Position zu einer bestimmten Fragestellung kurz skizziert wird oder der Experte ein bestimmtes Thema kommentiert beziehungsweise einordnet. Grundsätzlich sollten die genannten Instrumente dem Redakteur das Gefühl vermitteln, dass der Autor über spezielles Wissen verfügt und es sinnvoll ist, ihm ein Forum für dieses zu bieten. Außerdem ist es ratsam, entsprechende Dokumente um eine Kurzvita des Kunden zu ergänzen, die beispielweise auf den
- beruflichen und akademischen Bildungsweg,
- Buchveröffentlichungen,
- Fernsehauftritte,
- Vortragsreferenzen oder
- bereits erschienene Beiträge mit Experten-Zitaten hinweist.
Ist der Journalist von der Qualifikation des Kunden als Experten schließlich erfolgreich überzeugt worden, gilt es, eine geeignete Darstellungsform für die Umsetzung des Beitrags zu wählen. Dabei hängt es vom individuellen Thema ab, welches Instrument gewählt werden sollte. Grundsätzlich eignen sich jedoch vor allem Interviews, Autorenbeiträge, Kommentare oder auch nur kurze Zitate für die Positionierung eines Experten.
Bei Darstellungsformen wie etwa einem TV- oder Radio-Interview ergibt sich zudem der Sonderfall, dass die Position des Experten für den Journalisten vorab transparent sein muss. Dies gilt insbesondere für Live-Formate, die für den Journalisten sonst nicht kontrollierbar wären.
Ehemalige Fußballer sind gern gesehene Experten
Von diesem Konzept profitieren vor allem Dienstleister und Consultingspezialisten. So auch Unternehmen aus dem Bereich IT-Sicherheit. In dieser Branche kommentieren in Folge medial aufsehenerregender Hacker-Angriffe regelmäßig verschiedene Experten aus unterschiedlichen Unternehmen die Ereignisse. Ein Klassiker sind zudem Sportexperten, die meist ehemalige Profis sind. Gerade erfolgreiche ehemalige Fußballspieler wie etwa Matthias Sammer werden von Sportjournalisten gerne genutzt, um Spiele in der Rückschau zu analysieren, aber auch Prognosen über ein Ergebnis aufzustellen und nicht zuletzt, um ihre Meinung zu einer Kontroversen abzugeben. So fragte ein Fußballmagazin jüngst Bayern-Präsident Uli Hoeneß, nach dessen Meinung zum Videobeweis für strittige Schiedsrichterentscheidungen.
Doch gibt es auf dem Weg zu einer erfolgreichen Expertenpositionierung einige Hürden zu nehmen. Zunächst sollte man sich die Eigenschaften eines Experten verdeutlichen, die laut des Kommunikationswissenschaftlers Dr. Daniel Nölleke charakteristisch sind. Sie sollten auf einen Kandidaten zutreffen, um ihn als solchen etablieren zu können:
- Glaubwürdigkeit (durch unabhängiges Fachwissen)
- Sachkompetenz (akademisches, Erfahrungs- oder Insiderwissen)
- Erreichbarkeit
- Kommunikationskompetenz (Medienerfahrung)
- Status (Prominenz)
Trotz dieser Merkmale lässt sich die Expertenpositionierung nicht im Sinne einer Checkliste abarbeiten. Vielmehr ist Expertentum häufig ein rein mediales Konstrukt. Wer einmal den Expertenstatus erlangt hat, hat es leichter, wieder als Experte gehört zu werden. Selbsternannte Koryphäen ohne entsprechende Lobby haben es hingegen schwer. Um einen Kunden als Experten positionieren zu können, bedarf es also nicht nur eines geeigneten Kandidaten, sondern darüber hinaus auch eines strategischen Konzepts.